Mittwoch, 28. Dezember 2005

CVP ist im kritischen Dialog mit den Kirchen

Die CVP ist eine überkonfessionelle politische Partei. Ihr Anliegen ist es, christliche Werte in der Gesellschaft einzubringen. Für mich persönlich bedeutet dies in erster Linie, keine Menschen auszugrenzen oder abzulehnen. Schon gar keine Menschen, die einer Minderheit angehören. Keine Behinderten, keine Päpste, keine Mitglieder von Freikirchen, keine Asylanten, keine Gefängnisinsassen, keine Mörder, keine Homosexuellen und keine Politiker.
Jeder Mensch muss mir gleich viel Wert sein, plakative Ablehnung soll verhindert werden. Was aber nicht bedeutet, dass einfach alle lieb und nett sein sollen. Nein, es müssen konkrete Lösungen für Probleme gefunden werden. Die Stärke einer CVP liegt darin, auch dort nach Lösungen und Diskussionsgrundlagen zu suchen, wo verhärtete Fronten versagen. In der Politik geschieht dies meistens dann, wenn die rechts- links- aussen Parteien ihre „klaren Linien“ nicht verlassen dürfen.
Die Worte, die Frau Spring (ehemalige Mediensprecherin der CVP) gesagt haben soll, kommen einer plakativen Ablehnung gleich. Keine Firma würde eine Pressesprecherin unter Vertrag behalten, würde diese eine solch undifferenzierte Aussage machen. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die CVP den Dialog mit den Kirchen nicht sucht. Wir tun es. Viele Mitglieder der christlichen Kirchen leisten sehr gute Arbeit, und manch einsamer oder hilfloser Mensch unserer Region würde ohne Kirche in der Einsamkeit verzweifeln.
Im Dialog mit den Kirchen sprechen wir aber auch die kritischen Punkte in den Kirchen selbst an und lassen uns von ihnen kritisieren. Dies gilt beispielsweise für Fragen der Sexualität, der Gleichberechtigung der Frauen oder der Sonntagsarbeit. Wir wehren uns auch dagegen, wenn wieder alte Feindbilder „reformiert gegen katholisch“ aufgebaut werden. Diese werden durch den Dialog hinfällig. Der Verfasser des Leserbriefs vom 17. Dezember sei herzlich eingeladen, diese Dialoge aktiv mitzuverfolgen.
Barbara Schmid-Federer
(auch erschienen in der Zürichsee Zeitung vom 28. Dezember 2005)

Sonntag, 11. September 2005

Geistiger Austausch und freundschaftliche Beziehungen

Es gibt gute Gründe, dem freien Personenverkehr aus wirtschaftlicher Sicht zuzustimmen, denken wir nur daran, dass wir die Hälfte unseres Wohlstandes im Handel mit dem Ausland verdienen. Zudem war unser Land von jeher immer auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Die wirtschaftlichen Überlegungen sind auch eng verknüpft mit dem geistigen Austausch und den freundschaftlichen Beziehungen, welche die Schweiz mit dem Ausland pflegt.

Wie reagieren unsere Nachbarn, wenn wir Nein stimmen? Während die einen EU-Staaten bei einem Nein ablehnend und enttäuscht reagieren würden, würden sich andere zunehmend auf gute Beziehungen zu Staaten innerhalb der EU konzentrieren. Eine weitere Isolation der Schweiz wäre die Folge. Es ist falsch, sich gegenüber einem Europa zu isolieren, das uns auf dem Weg der Demokratie gefolgt ist.

Babara Schmid-Federer

(auch erschienen im Tages-Anzeiger, 10. September 2005)

Dienstag, 12. April 2005

Ein Plädoyer für das Engagement in der eigenen Wohngemeinde


Nach dem vergangenen Wahlwochenende ist die Zürcher Regierung wieder vollzählig. Die Mehrheit ihrer Mitglieder hat ihre politische Karriere "ganz unten" - auf der Ebene der Gemeinde - begonnen. Dort gilt es, Knochenarbeit zu leisten. Die Autorin des folgenden Beitrages bedauert, dass die Basisarbeit in den Gemeinden auf immer weniger Schultern verteilt werden muss. Umso wichtiger sei die Rolle der politischen Parteien.
von Barbara Schmid-Federer* 
Grob gerechnet haben sich am vergangenen Wochenende zwei von drei Zürcherinnen und Zürchern nicht an der Ersatzwahl in die Zürcher Regierung beteiligt. Die, die der Urne ferngeblieben sind, denken vielleicht, dass "die da oben ja doch machen, was sie wollen". Vielleicht glauben sie auch, dass ihre Anliegen in der Politik grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Sie haben vielleicht beide Kandidaten nicht für gut genug befunden. Möglicherweise wussten sie auch nicht, wer für das Amt kandidierte. Einige der abstinenten Wählerinnen und Wähler werden nicht wissen, was ein Regierungsrat ist, oder es interessiert sie grundsätzlich nicht, welche Richtung die Politik einschlägt. 
Freizeit im Dienste aller
Die meisten Politiker und Politikerinnen beginnen ihre Laufbahn ganz unten an der Basis. Viele von ihnen verfolgen keine politische Karriere. Sie hegen aber den Wunsch, sich aktiv für die Gestaltung unserer Gesellschaft einzusetzen. In einer direkten Demokratie – und darauf sind wir doch alle stolz! – beginnt Politik mit „Knochenarbeit“ in der eigenen Gemeinde: gar nicht oder schlecht bezahlte Freizeitbeschäftigung im Dienste der Allgemeinheit. 
Mehrheitsmeinung gilt
Dazu gehört Mut, denn wer sich politisch bewegt, muss eine eigene Meinung vertreten. Auch dann, wenn diese Meinung in der Minderheit ist und deshalb leicht kritisiert werden kann. Zum Engagement in der Politik gehört eine gesunde Portion Idealismus, denn wer gibt schon gerne einen Teil seiner Freizeit her, ohne dafür Dank oder Lob erwarten zu dürfen?
Wer einer politischen Partei angehört, hat sich des Vorwurfs zu erwehren, "abhängig" und einem "Parteiprogramm verpflichtet" zu sein. Gleichzeitig, und im Widerspruch dazu, wird von den Parteien Geschlossenheit und eine klare Linie verlangt. Die genannte Abhängigkeit wird ein Politiker, eine Politikerin klar in Abrede stellen. In den Parteien werden einzelne Probleme diskutiert, und erst nach einer Diskussion mit sämtlichen Mitgliedern wird eine möglichst einheitliche Parole - die Meinung der Mehrheit - verabschiedet.
Es ist einfach, in der guten Stube oder im Freundeskreis die Akteure der Politik zu kritisieren und sich selbst als „unabhängig“ zu bezeichnen. Im Gegensatz zur schweigenden Mehrheit müssen politisch aktive Menschen reden, motivieren, diskutieren, argumentieren und organisieren. Nichts enttäuscht sie mehr als eine desinteressierte Bevölkerung, welche der Urne oder den Podien fernbleibt. Politiker und Politikerinnen sind nicht angehalten, sich einem Programm zu unterwerfen, sondern sie sind dazu da, das Programm mitzugestalten. Übrigens: Auch im Regierungsrat haben Leute Einsitz genommen, die jahrelang an der Basis tätig gewesen sind. Hätten sie sich dabei als unfähig erwiesen, hätten wir, das Volk, diese Personen schon vor Jahren abwählen sollen. Auf die Kritik, die falschen Menschen würden die falschen Ämter bekleiden, gibt es aus der Sicht einer Politikerin nur ein Antwort: "Geht hin und macht es besser!"
Jede Gesellschaft hat die Politik, die sie verdient. Dieser Spruch mag für eine Diktatur nicht zutreffen, ist für eine direkte Demokratie aber angebracht. Wenn das Volk mit einer Partei, mit einem Kandidaten oder einer Politik nicht einverstanden ist, kann es sich aktiv einsetzen, um etwas zu verändern. Nicht wählen bedeutet, den anderen die Wahl zu überlassen. 
Politik à la carte
Politikerinnen und Politiker der Basis leiden insbesondere unter zweierlei: Einerseits lastet immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern. „Die Gemeinde“ oder „die Schulpflege“ kann noch so kritisiert werden, sie besteht immer aus Einzelpersonen, die sich engagieren. Nicht selten arbeiten Behördenmitglieder und Parteivorstände an vielen Fronten und würden es begrüssen, die notwendigen Arbeiten besser aufteilen zu können. Viele von ihnen fühlen sich ab und zu als Opfer einer Gesellschaft, welche viel fordert und viel kritisiert, gleichzeitig aber die Basisarbeit dem immer kleiner werdenden Kreis der Politiker überlässt. 
Betroffenheitsdemokraten
Andererseits erleben wir in der individualisierten Gesellschaft immer mehr Menschen, die sich nur für ein einziges, nämlich für „ihr“ Thema interessieren. Solche Leute lassen andere während Jahren die politische Arbeit machen und mischen sich nur gerade dann ein, wenn ihre eigene Lebensqualität gestört wird. 
Stellen wir uns vor, wir hätten eine Partei der Velofahrer, eine Uferweg- Partei, eine Partei der Strassenlobby, eine Partei der Einkaufszentren, eine Partei der Mehrsprachigkeit und eine Partei der kleineren Schulklassen- es gäbe ein Chaos. Die Politik würde sich nicht mehr ganzheitlich um das Zusammenspiel der Partikularinteressen kümmern können. Wahlen wären nicht mehr möglich, denn eine Schulklassenparteigängerin würde wohl kaum den Strassenlobbyisten wählen.
Politische Parteien - so sehr sie auch kritisiert werden dürfen - haben die Aufgabe, verschiedene Anliegen verschiedener Menschen unter einem gemeinsamen Nenner zu gruppieren. Parteien tragen entscheidend dazu bei, dass wir unser Zusammenleben friedlich gestalten können.

*Barbara Schmid-Federer ist derzeit Vorsitzende der Interparteilichen Konferenz des Bezirks Meilen. Sie ist Mitglied der CVP und wohnt in Männedorf.
auch erschienen in: Zürichsee-Zeitung, 12. April 2005